Unterschiedliche Bedürfnisse, Ansichten, Vorstellungen oder Erwartungen treffen aufeinander.
Die jeweilige Position wird hervorgebracht und die Unterschiedlichkeit zu der Position des Gegenübers festgestellt.
Beide beginnen, die Situation einzuschätzen und zu bewerten. Wie gefährlich ist die Person für mich und für das, was ich will?
Wenn beide zu der Erkenntnis gelangen, dass der andere ebenso wenig bereit ist, seinen Standpunkt aufzugeben, wie er selbst und deshalb die eigene Position gefährdet sehen, beginnt die sogenannte Alarmphase.
Auf der Körperebene passiert folgendes:
Herzrasen, der Herzschlag wird z. T. unregelmässig, der Puls flach und schnell. Häufig sind inneres Zittern, eine flache Atmung bis hin zu Luftnot, Schwitzen, kalten, feuchten Händen sowie Harn- und Stuhldrang zu beobachten. Viele Betroffene beschreiben auch einen Kloss im Hals, verbunden damit, dass es einem die Sprache verschlägt.
Die Symptome in der Alarmphase sind die klassischen ersten Stresssymptome. Je nach Konstitution und individueller Wahrnehmung können sie mehr oder weniger ausgeprägt auftreten.
Auf der Gedankenebene beginnt das fieberhafte Suchen nach Lösungsmöglichkeiten. Man stellt sich folgende Fragen: Was kann ich tun, um die Situation zu lösen? Wie kann ich die Bedrohung abwenden?
Auf der Ebene der Gefühle entsteht zunächst ein Unwohlsein, Nervosität, Unsicherheit, Angst, sowie eine innere Unruhe und Anspannung, die sich, je länger der Konflikt andauert, bis zur Panik steigern kann.
In dieser Phase wird häufig der Grundstein für eine spätere Panikstörung gelegt.
Auf der Verhaltensebene konzentriert sich die gesamte Aufmerksamkeit auf das Gegenüber.
Alles ist gesagt und beide Standpunkte stehen sich unvereinbar gegenüber.
Während der eine seine Position weiter äussert und durchsetzen will, fängt der andere an, sich zurückzuziehen.
Bevor dies geschieht, beginnt er zunächst, die Situation erneut für sich einzuschätzen und zu bewerten. Wenn Kompetenzen fehlen, die Situation zu lösen oder sie zu beenden und zu verlassen (Trennungsangst, Abhängigkeitsverhältnis), greift die einzige Option, um nicht ganz unterzugehen: In den Widerstand gehen.
An dieser Stelle wird nicht mehr der eigene Wunsch geäussert (was will ich?), sondern die ganze Energie konzentriert sich darauf, sich gegen die Position des Gegenübers zu verteidigen. Man beginnt gegenzuhalten.
Gegenhalten kostet extrem viel Kraft und irgendwann auch Reserven.
Die körperlichen Symptome, die in der Alarmphase auftraten, verschieben sich nun zunehmend in einen tieferen Bereich. Der Stress wird hierbei in individuell verschiedener Form erlebt (Kopf-, Magen- und Ohrenschmerzen, Übelkeit, Engegefühl in der Brust, Ohrgeräusche, Verspannungen, Rückenschmerzen, allergische Hautreaktionen usw.). Der gesamte Bereich der Psychosomatik wird hier erfasst.
Auf der Ebene der Gedanken ist die Verteidigungshaltung am ausgeprägtesten: “ Mit mir nicht!“ „Das lasse ich mir nicht gefallen!“ „Jetzt erst recht!“ „Die wird schon sehen, was sie davon hat!“
Zunächst erscheint es dem Betroffenen kaum möglich, an etwas anderes zu denken.
Er kann gedanklich nicht von der Situation lassen und beginnt zu grübeln.
Irgendwann werden die Gedanken zunehmend auf die Körpersymptome gerichtet. Dies ist ein unbewusster Mechanismus, weil das Gefühl der Hilflosigkeit maximalen Stress auslöst und für den Menschen nur begrenzt auszuhalten ist.
Es ist geradezu willkommen und um einiges leichter, sich um eine Rückenverspannung zu kümmern und dessen Lösung bei einem Physiotherapeuten oder Orthopäden zu suchen, als sich weiter mit der Problemsituation auseinanderzusetzen. Gleichzeitig hat man das Gefühl, sich um sich selbst zu kümmern, sich etwas Gutes zu tun und die entlastende Vorstellung, dass die eigene Rettung durch jemand anderen geschieht.
Eine weitere Vorstellung besteht darin anzufangen, sich die Situation schönzureden (Verkehrung ins Gegenteil). Hierbei werden verhasste Personen oder Situationen in den höchsten Tönen gelobt und zu dem erhoben, was man als das genau Richtige ansieht. Auch dieser Mechanismus geschieht unbewusst. Die Betroffenen spalten sich in ihrem eigentlichen Gefühl ab.
Auf der Verhaltensebene wird mit stummer Verweigerung oder lautem Widerstand reagiert. Ein weiteres Mittel ist die Ablenkung: immer beschäftigt sein, bloss nicht zur Ruhe kommen (Arbeitswut).
Die Phase des Widerstands ist nicht nur deswegen so gefährlich, weil Aussenstehende meist nicht bemerken, was hinter diesen Reaktionen steckt – und sie häufig sogar in gegenteiliger Bewertung noch fördern -, sondern auch deshalb, weil hier die Gefahr von Suchterkrankungen als Kompensation wächst (Tabak, Alkohol, Tabletten, Sport, wechselnde Affären, um bestätigt zu sein).
Jeder Widerstand findet irgendwann sein Ende und erschöpft sich in sich selbst, in der eigenen Ohnmacht und in der Dominanz des Gegenübers. Die Belastung wird als hoch, dauerhaft oder unausweichlich erlebt. Sie wird weder durch Bewältigung noch durch Erholungszeiten gemildert oder ausgeglichen.
Auf der Körperebene beginnen die Symptome chronisch zu werden. Kopfschmerzen werden zu Dauerkopfschmerzen, es kommt zu Migräne, es entsteht ein hoher Blutdruck, Magenschmerzen und chronische Verspannungen nehmen zu. Die Betroffenen beschreiben in dieser Phase eine ausgeprägte Kraftlosigkeit, eine ständige Erschöpfung und erhöhte Infektanfälligkeit, Ein- und Durchschlafstörungen, Schlaflosigkeit trotz Müdigkeit. Schilderungen wie:“ Meistens wache ich um vier Uhr nachts auf, z. T. mit Herzrasen und war hellwach. Hellwach – und gleichzeitig total erschöpft.
Auf der gedanklichen Ebene findet in der Phase der Erschöpfung hauptsächlich die Beschäftigung mit den körperlichen und psychischen Symptomen statt. Die Betroffenen fragen sich ständig:“ Warum geht es mir so schlecht?“, und beginnen über ihre Körpersymptome zu grübeln. Oftmals wird kein Zusammenhang mehr zu der Stresssituation hergestellt, in der man sich ja nach wie vor befindet. Das in der Widerstandsphase begonnene Prinzip „Was nicht sein soll, existiert auch nicht“ wird in dieser Phase perfektioniert.
Beschrieben wird ein leerer Kopf, zunehmende Vergesslichkeit, wachsende Konzentrationsstörungen, starkes Grübeln und ständig wiederkehrende Gedanken.
Für Arbeiten, die früher in kurzer Zeit erledigt werden konnten, wird das Doppelte an Zeit benötigt. Zusätzlich schleichen sich Flüchtigkeitsfehler ein.
Auf der Ebene der Gefühle findet man in der Erschöpfungsphase zwei Möglichkeiten:
Dies kann sich so äussern, dass einige vor Gefühl überlaufen, während andere erstarren und nichts mehr fühlen. Vor diesem Hintergrund sind entsprechende Gefühle der Verzweiflung, Traurigkeit, häufiges Weinen, eine wachsende Trostlosigkeit und Hilflosigkeit zu finden. Die in der Widerstandsphase unterdrückte Angst kehrt zurück. Sie manifestiert sich häufig in einer ängstlichen und pessimistischen Grundstimmung, in der sich die Betroffenen gereizt und mutlos fühlen und beginnen, an sich selbst zu zweifeln. Sie kann sich aber auch in Form von Panikattacken zeigen. Dabei steht das Gefühl im Vordergrund, sich aufzulösen, verrückt oder ohnmächtig zu werden oder einen Herzinfarkt zu bekommen.
Die Panik tritt oftmals in Besprechungssituationen, langen Konferenzen, engen Räumen, grossen Menschenansammlungen oder auch in Flugzeugen auf.
Als Grundgefühlt tritt bei den Verrichtungen alltäglicher Dinge auf:“ Mir wird alles zu viel, ich kann nicht mehr, ich bin nichts wert…“
Auf der Ebene des Verhaltens beginnen sich die Betroffenen sozial zurückzuziehen.
Immer mehr Termine, die nicht zwingend notwendig sind, werden abgesagt, menschliche Kontakte werden allgemein als belastend erlebt.
Menschen mit „Burnout“ haben einen äusserst hohen Anspruch an sich selbst. Das zeigt sich unter anderem daran, in jeder Situation die Haltung zu bewahren und funktionieren zu müssen. Meistens ist es der Arbeitsplatz, welcher hierbei die oberste Priorität besitzt und wo bis zum bitteren Ende die Haltung gewahrt wird, während alle anderen Lebensbereiche bereits „zusammengebrochen“ sind.
Auf der Körperebene nehmen Kraftlosigkeit und Erschöpfung weiter zu.
Die Körpersymptome sind mittlerweile chronisch. Häufig sind sie so stark, dass sie den Alltag bestimmen und massiv beeinträchtigen.
Die Gedanken kreisen in der Phase des Rückzugs hauptsächlich um die eigene Person. „Ich will nur noch meine Ruhe haben“. „ Mir wird alles zu viel“, „Ich kann nicht mehr“, „Ich will alleine sein“, „Die anderen verstehen mich sowieso nicht“ sind einige der Gedankengänge, von denen häufig berichtet wird.
Auf der Ebene der Gefühle ist ein ausgeprägter Selbsthass zu finden. Dieser entsteht durch folgenden Prozess: Ursprüngliche Wut und Hass auf das dominante Gegenüber werden aus Angst und Ohnmacht meist nicht geäussert. Können diese Affekte in der Widerstandsphase noch annähernd durch den Widerstand ausagiert werden, müssen sie nun in den folgenden Phasen zunehmend unterdrückt werden. Die Wut wird jedoch nicht geringer – im Gegenteil. Der Betroffene gerät zunehmend unter Druck. Von aussen drückt das dominante Gegenüber, von innen die unterdrückte eigene Aggression. Da sie nicht herausgelassen werden kann, richtet die Person die Aggression nun zunehmend gegen sich selbst. Dieser Prozess ist in den meisten Fällen unbewusst.
In dieser Phase gibt es vermehrt Impulse der Selbstvernichtung.
Der Wunsch, sich selber zu zerstören, kann sich auch in Kamikaze-Aktionen zeigen, z. B. im Bereich des Sports, durch immer unkontrollierbaren Suchtmittelmissbrauch oder das Eingehen unternehmerischer Risiken. Sehr häufig wird die bis zu dieser Phase aufrechterhaltende heile und disziplinierte Fassade der Umwelt gegenüber nun durch unbewusst geplante Aktionen eingerissen, immer mit dem Ergebnis, sich selbst endgültig den Boden unter den Füssen weggerissen zu haben. So wird die eigene Sucht z. B. nicht mehr versteckt, sondern öffentlich zur Schau gestellt, oder es werden grobe Fehler und Unterlassungen begangen, deren Konsequenz nur die Kündigung oder ein massiver wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen sein kann. Es wird sogar von einer gewissen Genugtuung berichtet, wenn man auf den Abgrund zusteuert. „Es gab keinen Grund mehr für mich, die Reissleine zu ziehen. Wozu auch? Ich hatte mich und die Welt einfach satt.“
Es gibt eine Ansicht in der Psychologie, nach der jeder, der einen Suizid begeht, vorher am liebsten jemand anderen umgebracht hätte. Der Suizid ist das Extrem dieser Phase und besiegelt den endgültigen Rückzug. Der innere Rückzug wird nun auch ein Rückzug aus der äusseren Welt.
Weitere Merkmale sind eine allgemeine Starre, das Gefühl der Gefühllosigkeit, eine Teilnahmslosigkeit sowie das Gefühl einer wachsenden eigenen Isolation der Umwelt gegenüber. „Ich nehme die Umwelt nur noch durch Watte oder Nebel wahr…“, so wird dieser Zustand beschrieben, der mit Sinn- und Hoffnungslosigkeit dem Leben gegenüber verbunden ist.
Quelle: Dr. med. Mirriam Prieß